top of page
Treibtechnik

Unter Treiben versteht man die Technik, ein Metallblech von der Rückseite aus durch „Treiben“ mit dem Hammer oder Treibpunzen so „einzubeulen“, dass auf der Vorderseite die gewünschte Form, also das Relief entsteht. Bereits Assyrer und Babylonier kannten 2000 Jahre vor Christus Reliefs aus getriebenem Metallblech. In Europa wurde diese Technik für Reliefs vom Mittelalter bis zur Hochrenaissance benutzt. Danach wurde es um diese Kunst sehr ruhig. Hans Wissel hat ab ca. 1922 diese Technik wieder aufgegriffen und zu einer neuen Blüte geführt.

 

Ein wesentlicher Fortschritt war dabei der Schritt von Reliefs zu Rundplastiken. Dabei war seine Technik bahnbrechend, durch Treiben vorgeformte Einzelteile aus Messing- oder Kupferblech durch Hartlötung zur endgültigen Form zusammenzufügen. Im ersten Schritt schnitt er einzelne Teile aus einer Blechplatte, so wie ein Schneider die einzelnen Teile eines Kleidungsstücks aus dem Stoff schneidet. Dann brachte er sie durch Treiben in die gewünschte Form und lötete sie  zur Vollform zusammen. Dabei ließ er häufig die Lötnähte stehen, ohne sie zu überputzen oder zu überfärben. Sie sitzen ganz organisch im Körper der Plastiken. Auf diese Weise konnten große Bauplastiken erstellt werden, die verhältnismäßig leicht, aber durch die Spannung im Blech doch ziemlich stabil waren (Link).

 

Hans Wissel selbst schrieb zur Technik des Treibens:

 

„Die Metallplastiken werden in Messing-, Kupfer-, Silber- oder Goldblechen über einer einfachen Eisenfaust mit dem Hammer aufgezogen und geformt. Es liegt also beim Beginn der Arbeit kein dreidimensionaler Körper vor. Der Künstler beginnt zuerst einen Körper zu schaffen, indem er die Bleche zusammenstaucht ( in der Fachsprache "aufziehen" genannt). So entsteht dann ein Hohlkörper, dessen rohe Form mit kleinen Hämmern im Negativ und Positiv zu der angestrebten Form gebracht wird. Der Reiz der Technik liegt besonders im Spannen der Oberfläche des Metalls als Hauptunterschied zur Bronzeplastik. Die mit dem Hammer bespannte Oberfläche auf handgetriebenen Metallgegenständen waren für mich der Ausgangspunkt, die neue Technik zu suchen. Ich brachte sie zuerst als reine Hammerarbeit in Reliefs zur Anwendung. Der große Schritt vom Relief zur Rundplastik in Metallblech mit dem Hammer aufgezogen war getan, als ich mich von den geübten Formen des Holz- und Steinbildhauers löste und die dem Material gegebene Gestaltung erreichte, nämlich aus der plastischen Vorstellung den Hohlkörper aufzubauen. Der Umriss der Metallplastik ist während der Arbeit in ständiger Bewegung. Er wird erst festgelegt, wenn alle Höhen und Tiefen bestimmt sind.“ (Presse-Illustrationen Klaus W. Prochnow, Berlin 1948, Abschrift im Privatbesitz).

Joseph Jaekel war der Meisterschüler von Hans Wissel und übernahm ab 1947 als Leiter des Bereiches Metallbildhauerei die Klasse für Metalltreibtechnik an den Kölner Werkschulen. Er schreibt 1947 unteranderem: „In den letzten Jahrhunderten war diese Arbeitsweise (Anm.: Treibtechnik) aus dem bildhauerischen Schaffen völlig verschwunden. Erst Professor Hans Wissel, dessen Schüler ich bin, erweckte sie mit seinen eigenwilligen, ganz dem Material abgelauschten Formen vor rund 30 Jahren zu neuem Leben. Es sind dies Plastiken, die zu den besten und eindrucksvollsten der damaligen Zeit zählen.

bottom of page